Foto: Ergert (2) - Jagd auf das Einhorn - Jagd in Tirol 06/2019
Jagdliche Wandteppiche und Gobelins, von Autor Bernd E. Ergert:
Bei der „Jagd des Einhorns“ aus dem 15./16. Jahrhundert handelt es sich wohl um eines der frühesten jagdlich geprägten Motive von Wandteppichen in Mitteleuropa. In New York, in der Abgeschiedenheit eines Parks, steht ein romanisches Kloster. Es ist ein synthetisches Kloster, von Magnat Rockefeller aus europäischen Ruinen aufgekauft und Stein für Stein neu aufgebaut. „The Cloisters“ (die Kreuzgänge) sind bestimmt für das Metropolitan Museum, um vom Mäzen aufgekaufte Kunstschätze Europas in einem würdevollen Rahmen zu zeigen. Hier findet sich als Hauptstück eine Teppichserie, mit der Amerika dem Pariser Museum in Cluny den Besitz der schönsten mittelalterlichen Einhornteppiche des 15. und 16. Jahrhunderts streitig macht. Sie sind kaum weniger repräsentativ, aber sie sind unvergleichlich dramatischer! Sie erzählen die Geschichte der gefährlichen Jagd auf das wilde Einhorn mit seiner großen Kraft, die es allen Tieren überlegen macht. Weltliche und Symbolgeschichte fließen hier zusammen. Auf einem nur fragmentarisch erhaltenen Teppich flüchtet sich das Einhorn in einen umzäunten Bereich. Eingekreist und von und von mehreren Hunden gepackt, von Spießen in Hals und Brust getroffen, bricht es zusammen, wird über ein Pferd gehängt und einem fürstlichen Paar überbracht. Die Jagd ist zu Ende, doch der siebte Teppich zeigt das Einhorn in einem hölzernen Gatter, aus den Wunden blutend, aber lebend mit goldener Kette an einen Baum gebunden und mit einer prächtigen Brokathalsung.
Lesen Sie mehr von Bernd E. Ergert, dem ehem. Direktor des Deutschen Jagd- und Fischereimuseums München in der Ausgabe "Jagd in Tirol" 06/2019 auf S. 40 f.