90 Bild Swarowski
Quelle: Swarovski X5i Zielfernrohr

"Mit meinem ..... könnte ich Weitschüsse von 600 m auf einer Gamswildkammer plazieren."

Die Industrie suggeriert Sicherheit - beste Schussleistung/optische Ausrüstung - dennoch lehnen 66% der Jägerschaft Schüsse über 300 m ab. Dass trotz der Verlockungen Weitschüsse keine Konjunktur haben, bestätigt die Praxis: Von allem erlegten Schalenwild in Österreich liegen nach groben Schätzungen Schussabgaben über 200 m im 5 % Bereich.

Lesen Sie hierzu meine Ausführungen in "Jagdethos: Eine Frage des Alters?"  (Universitätslehrgang Jagdwirt VII Uni Wien 2016 S. 75 f.):

"Wenn dennoch über 200 m hinaus geschossen werden muss, gibt es keinen generellen Standard für einen „noch waidgerechten“ Schuss. Diese Beurteilung kann nur individuell abgegeben werden, je nachdem, welche weiteren Umstände (Witterungsverhältnisse, Schiessleistung der Büchse, eigene Schiessfertigkeit) vorherrschen: So muss jeder die Grenze selbst festlegen, die für ihn noch als ethisch gerechtfertigt erscheint. Oberste Prämisse beim Schuss auf Wildtiere bleibt, durch einen präzisen Schuss das Hinzufügen von Schmerzen zu minimieren. Aber: Trotz bester optischer Ausrüstung und bester Schussleistung der Büchse bleibt es ein Risiko und damit eine Entscheidung des ureigenen Gewissens.
Ist diese professionelle Technik deshalb nur etwas für Berufsjäger?
Die Wildtiere analysieren sehr wohl das Fehlen eines Stückes nach dem Schuss und erleben die Situation des Tötens. Die Schussdistanzen werden immer weiter (in der Schweiz werden schon Seminare bis 1.000 m Entfernung durchgeführt), so dass sich die Handlung (Schuss) anonymisiert. Aus der Sicht des Jägers geht die Situation des Tötens verloren. Er hat keinen Bezug mehr dazu, da das Tier in einer enormen Distanz zum Schützen steht. Voraussetzung für einen jagdlichen Weitschuss über 200 m ist zum einen die überdurchschnittliche Schussleistung der Büchse (max. Streukreis durchschnittlich 3 cm auf 100 m), die Verwendung eines rasanten Kalibers-/Geschosses (BC-Wert nicht unter 0,3) sowie variable Optik (mind. 10-fach), ballistische Türme oder ASV und Parallaxe Justierung am Zielfernrohr. In der praktischen jagdlichen Umsetzung ist neben diesen technischen Voraussetzungen für einen sog. Long-Range Schuss die exakte Entfernung zum Ziel zu bestimmen: Die früher übliche Schätzung über die „Einpassung“ des Wildkörpers (beim Rehwild) in das Absehen wird längst durch elektronische Entfernungsmesser ersetzt. Des Weiteren muss sich der Schütze über die Treffpunktlage (GEE) des Erstschusses vergewissern und damit die Bedingungen (Schießauflage, Schießtechnik etc.) für seine persönliche maximale Einsatzschussweite auf dem Schießstand festlegen. Risiken wie Windgeschwindigkeiten über 10 m/s, Regen oder Schneefall senken die noch verantwortbare Schussentfernung deutlich herab.  Die Veränderung der Treffpunktlage bei steilen Schüssen im Gebirge wegen nachlassender Erdanziehung des Geschosses (Hochschuss) kann bei Weitschüssen nicht vernachlässigt werden. Neben der Korrektur des Hochschusses spielt schließlich auch der Haltepunkt auf der (üblicherweise) Mitte des Wildkörpers eine Rolle; er muss beim Winkelschuss unter dieser gewählt werden, um den graden Geschoßdurchlauf zu gewährleisten. Ansonsten würde nur das obere Drittel des Wildkörpers durchschlagen."